Schnelles Denken, langsames Denken
Daniel Kahnemann
Ziel
Die TeilnehmerInnen verstehen, dass unser Denken durch zwei sehr unterschiedliche Systeme geprägt wird. Sie können im Anschluss besser einschätzen, wann sie ihrer Intuition vertrauen sollten und wann nicht.
Kontext
- Wahrnehmung
Theorie
(basierend auf Daniel Kahneman (2014): Schnelles Denken, langsames Denken, Teil 1 – Zwei Systeme)
Wie heißt die Hauptstadt von Frankreich? Für die meisten von uns ist die Antwort sofort klar. Paris. Du hast darüber nicht nachdenken müssen. Die Antwort war sofort da.
Wie lautet das Ergebnis von 24 x 37? Bitte nutzte die Gelegenheit und berechne die Antwort wirklich (ohne Computer). Bei der Suche nach der Antwort hat sich dein Puls messbar erhöht und deine Pupille erweitert. Die Lösung war anstrengend.
Kahneman verwendet für diese beiden unterschiedlichen Denkmodi die Begriffe System 1 (Paris) und System 2 (888).
„System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung.“ [Kahneman 2014 S. 33]
System 2 ist bewusst gesteuert, anstrengend und arbeitet langsam, kann damit aber schwierigere Probleme lösen wie zum Beispiel komplexe Berechnungen.
Es wäre für uns nicht möglich, permanent System 2 einzusetzen, da es schlicht zu anstrengend wäre. Deswegen überlassen wir den Großteil der Arbeit System 1. Seine Aufgabe ist es herauszufinden ob alles in Ordnung ist oder ob System 2 aktiviert werden muss. Eine einfache Frage illustriert dies sehr gut:
„Wie viele Tiere jeder Art nimmt Moses mit in die Arche?“
Fast niemanden fällt auf, dass mit dieser Frage etwas nicht stimmt. Weshalb sie auch die Moses-Illusion genannt wird. Unser System 1 fühlt sich bei der Frage wohl. Tiere und Arche sind ebenso aus dem biblischen Kontext wie Moses. Wir erwarten Moses nicht in der Frage, aber es beunruhigt uns auch nicht. Deshalb wird System 2 nicht aktiviert. Wäre an Stelle von Moses nach George W. Bush gefragt worden, wäre System 2 aktiviert worden und der Fehler augefallen.
„In näherungsweiser Reihenfolge der Komplexität sind hier einige Beispiele für die automatischen Aktivitäten aufgelistet, die System 1 zugeschrieben werden:
- Erkennen Sie, dass ein Gegenstand weiter entfernt ist als ein anderer.
- Wenden Sie sich der Quelle eines plötzlichen Geräusches zu.
- Vervollständigen Sie den Ausdruck „Brot und …“
- Ziehen Sie ein angewidertes Gesicht, wenn man Ihnen ein grauenvolles Bild zeigt
- Hören Sie die Feindseligkeit aus einer Stimme heraus.
- Beantworten Sie 2 + 2 = ?
- Lesen Sie die Wörter auf großen Reklameflächen.
- Fahren Sie mit dem Auto über eine leere Straße.
- Finden Sie einen starken Schachzug (wenn Sie ein Schachmeister sind).
- Verstehen Sie einfache Sätze.“ [Kahneman 2014 S. 33 – 34]
„Die höchst vielfältigen Aktivitäten von System 2 haben ein Merkmal gemeinsam: Sie erfordern Aufmerksamkeit, und sie werden gestört wenn die Aufmerksamkeit abgezogen wird.
Hier sind einige Beispiele:
- Sich bei einem Wettlauf auf den Startschuss einstellen.
- Die Aufmerksamkeit auf die Clowns in einem Zirkus richten.
- Sich auf die Stimme einer bestimmten Person in einem überfüllten und sehr lauten Raum konzentrieren.
- Nach einer Frau mit weißem Haar Ausschau halten.
- Das Gedächtnis durchsuchen, um ein ungewohntes Geräusch zu identifizieren.
- Schneller gehen, als Sie es normalerweise tun.
- Die Angemessenheit Ihres Verhaltens in einer sozialen Situation überwachen.
- Zählen, wie oft der Buchstabe a auf einer Textseite vorkommt.
- Jemandem seine Telefonnummer mitteilen.
- In eine schmale Lücke einparken (für die meisten Leute, bis auf Mitarbeiter von KFZ-Werkstätten).
- Zwei Waschmaschinen auf das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis hin vergleichen.
- Die Gültigkeit einer komplexen logischen Beweisführung überprüfen.“ [Kahneman 2014, S. 35]
Um Fähigkeiten von System 2 nutzen zu können, muss man sich konzentrieren. Kann man dies nicht, weil man müde ist oder sich anderweitig fokussiert, fällt die Leistung schlechter aus.
Sehr gut kommt dies in folgendem Video zum Ausdruck
Ungefähr die Hälfte alle Betrachter sehen das „Offensichtliche“ nicht. System 2 kann nur begrenzt Input verarbeiten. Alles andere wird ausgeblendet.
Ein weiterer Nachteil von System 2 ist, dass es ermüdet. Nach einem Test wie dem obigen Video werden wir bei einem gleich darauf folgenden anderen Test schlechter abschneiden als wir es würden, wäre es unser erster Test.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass System 1 laufend alle Inputs analysiert und uns Lösungen ohne großen Aufwand präsentiert. System 2 wird automatisch hinzugezogen wenn System 1 etwas Ungewöhnliches bemerkt oder wenn wir (System 2) es vorsätzlich wünschen. System 2 kann jedoch nur beschränkt Input verarbeiten wir müssen daher vorsichtig sein worauf wir uns fokussieren.
Kognitive Leichtigkeit
Mit der kognitiven Leichtigkeit beschreibt Kahneman ein Konzept, nach welchem entschieden wird, ob die Aufmerksamkeit neu ausgerichtet werden muss (sprich System 2 aktiviert werden sollte) oder ob den Antworten, welche von System 1 generiert werden, geglaubt werden kann.
Vier Faktoren beeinflussen das Gefühl der kognitiven Leichtigkeit
- wiederholte Erfahrung
- klare Darstellung
- geprimte Vorstellung (Aktivierung von Assoziationen im Gedächtnis aufgrund von Vorerfahrungen)
- gute Laune
Desto mehr und stärker dieser Punkte zutreffen, desto eher empfindet man kognitive Leichtigkeit, was wiederum folgende vier Zustände zur Folge hat:
- fühlt sich vertraut an
- erscheint wahr
- fühlt sich gut an
- erscheint mühelos
In guter Stimmung werden sie damit Aussagen eher vertrauen. Es reicht sogar, wenn Sie nur einen Stift so in den Mund nehmen, dass sie lächeln müssen.
Dasselbe gilt, wenn Sie einen Text besser lesen können. „Vergleichen Sie diese beiden Aussagen:
Adolf Hitler wurde 1892 geboren.
Adolf Hitler wurde 1887 geboren.
Beide sind falsch (Hitler wurde 1889 geboren) aber Experimente haben gezeigt, dass der erste fett gedruckte Satz eher geglaubt wird.“ [Kahneman 2014 S. 85 – 86]
Der Effekt der klaren Darstellung geht sogar so weit, dass Aktien von Unternehmen mit leicht aussprechbarem Namen in der ersten Woche besser performen als von Unternehmen mit schwer aussprechbaren Namen.
Ebenso wird sich ein Gefühl der kognitiven Leichtigkeit eher einstellen wenn du priming ausgesetzt warst. Kahneman bringt das schöne Beispiel von „eat“ (essen). Jetzt wo du dieses Wort gelesen hast, wird es dir (als EnglischsprachigeR) leicht fallen so_p als soup (Suppe) zu identifizieren und du wirst nicht erst nachdenken, ob es vielleicht doch eher soap (Seife) sein sollte.
Der Effekt der wiederholten Erfahrung wird täglich von der Werbewirtschaft genutzt. Wenn wir eine Aussage oft hören, sind wir geneigter sie auch tatsächlich zu glauben bzw. fühlt sich der Markenname vertrauter und besser an.
Es entzieht sich daher bei weitem stärker unserer Kontrolle was wir glauben, als allgemein angenommen wird.
Praktische Einführung
In der praktischen Einführung hat es sich als nützlich erwiesen, zunächst durch markante Beispiele das Problembewusstsein der TeilnehmerInnen zu schärfen. Einige Beispiele finden sich im Theorie-Teil. Das Buch von Kahneman beinhaltet noch viele weitere. Alle können wir aus Urheberrechtsgründen hier nicht auflisten.
Nachdem die TeilnehmerInnen für das Thema sensibilisiert wurden, können System 1 und System 2 gut dargelegt werden. Es hilft dem Verständnis System 1 und System 2 zu personifizieren.
Nachdem System 1 und System 2 erläutert wurden, runden die Effekte der kognitiven Leichtigkeit und die Veranschaulichung, wie leicht wir manipuliert werden können, das ganze sehr gut ab.
Kommentar
Das hier Beschriebene ist nur ein kleiner Ausschnitt des Inhaltes des Buches. Wenn du vor hast System 1 und System 2 in deinem Seminar ausführlich zu behandeln, raten wir dir diesmal besonders, auch das Original zu lesen.
Richtiger Zeitpunkt/Voraussetzungen
Die TeilnehmerInnen sollten für die Problematik sensibilisiert worden sein, dies kann gut durch entsprechende Beispiele geschehen.
Querverweise
- priming
Arbeitsmaterial
Vortrag von Kahneman zu Thinking, fast and slow auf Englisch
Weiterführende Literatur
Das Buch zum Gorilla Video
Beispiel-Training (65 Minuten)
Zeit | Beschreibung | Material |
20’ | Sensibilisierung für das Thema | Vorbereitet Beispiele, evtl. Flipchart, Beamer |
20’ | Theorieinput System 1 und System 2 | Flipchart evtl. Beamer |
15’ | Kognitive Leichtigkeit und seine Auswirkungen auf unseren Alltag | Flipchart |
10’ | Gemeinsame Diskussion über Anwendungen im Alltag |
Eine Antwort auf “System 1 und System 2”
Patrick Rosar
Sehr interessante Infos. Vielen Dank.