Premortem

Gary Klein (2003)

(als pdf herunterladen)

 

Ziel

Die TeilnehmerInnen verstehen, wie EntscheidungsträgerInnen durch die Abhaltung eines premortem die entscheidenden Probleme eines Projektes besser voraussehen können.

 

Kontext

  • Projektmanagement
  • Ideenfindung

 

Theoretischer Hintergrund

(basierend auf Gary Klein (2003): The Power of Intuition S. 98 – 101)
Postmortem (nach dem Tod) wird in der Medizin eine Autopsie am verstorbenen Patienten durchgeführt, mit dem Ziel, herauszufinden woran dieser gestorben ist und dadurch für die Zukunft zu lernen.

 

Klein übernimmt diesen Ansatz für das Projektmanagement, verlegt dabei jedoch den Zeitpunkt. Sein Premortem (vor dem Tod) wird noch vor dem Projektstart durchgeführt. Dadurch werden die entscheidenden Probleme, die sich bei der Durchführung des Projektes ergeben können, schon im Vorfeld festgestellt und Adaptierungen des Plans bzw. Gegenstrategien können entwickelt werden.

 

Der Ansatz versucht zwei entscheidende Schwachstellen verwandter Methoden zu eliminieren. Das erste Problem ist, dass zwar oft formal nach zu erwartenden Problemen gefragt oder gesucht wird, gleichzeitig jedoch stets von der Prämisse ausgegangen wird, dass (hoffentlich) nichts gefunden wird, wodurch nicht mit der notwendigen Sorgfalt nach ihnen gesucht wird. („Seht ihr irgendwelche Probleme mit diesem Plan? Nein? Gut, dann lasst uns loslegen.“) Das zweite Problem liegt darin, wie stark Kritik an den Plänen anderer in Teams akzeptiert oder überhaupt zugelassen wird (z.B. nicht im Brainstorming).

 

Ein Premortem läuft nach Klein in sechs Schritten ab und dauert üblicherweise 40 bis 60 Minuten.

 

1) Vorbereitung

Die Teammitglieder machen es sich mit Stift und Papier in einem gemeinsamen Raum gemütlich. Sie kennen bereits den Projektplan. Wenn dem noch nicht so ist, sollte er an dieser Stelle genau erklärt werden.

 

2) Das Fiasko

Den Teammitgliedern wird mitgeteilt, dass durch einen Blick in die Zukunft festgestellt wurde, dass das Projekt gescheitert ist. Es ist nicht nur gescheitert, sondern es war ein totales, peinliches, Fiasko. Ein Fiasko, das so schlimm war, dass der Ruf des Unternehmens ruiniert ist und die Teammitglieder nicht mehr miteinander reden.

Leider konnte beim Blick in die Zukunft nicht festgestellt werden, wodurch dieses Fiasko verursacht wurde, weshalb nun die Teammitglieder nach diesen entscheidenden Schwachstellen im Plan suchen müssen.

 

3) Die Suche nach den Gründen

Die nächsten drei Minuten verbringen die Teammitglieder in Einzelarbeit. Sie notieren dabei alle Gründe, an die sie denken können weshalb das Projekt gescheitert ist.

 

4) Die Listen zusammenführen

Reihum wird nun von den Teammitgliedern je ein (noch nicht genannter) Grund genannt. Diese Gründe werden für alle sichtbar (Flipchart, Whiteboard, Beamer) notiert.

 

5) Überdenken des Plans

Das Team wählt die zwei bis drei gravierendsten aufgedeckten Risiken aus und bespricht Strategien, wie diese Risiken minimiert werden können und passt den Plan entsprechend an.

Anschließend wird eine neue Besprechung für die übrigen Risiken vereinbart.

 

6) regelmäßiges durchgehen der Liste

Alle drei bis vier Monate wird die Liste erneut hervorgeholt, um die Teammitglieder für Probleme/Risiken zu sensibilisieren, die vielleicht kurz vor dem Ausbruch stehen.

 

Praktische Umsetzung

Wenn das Premortem nicht nur theoretisch referiert werden soll, eignet sich ein beliebiges Planspiel sehr gut (z.B. eine Turmbau-Übung).

Dabei wird das Planspiel insofern abgeändert, als dass das Spiel von allen TeilnehmerInnen gemeinsam als Team absolviert wird. Weiters muss – wie in vielen Planspielen – zunächst ein Plan aufgestellt werden bevor dieser ausgeführt wird. Zwischen Planung und Ausführung des selbigen wird schließlich unterbrochen und gemeinsam ein angeleiteter Premortem durchgeführt.

Während der Anleitung der sechs Phasen werden diese auf einer Flipchart visualisiert und nach Abschluss des Premortems wird noch einmal das Konzept durchgegangen. Zu diesem Zeitpunkt sollten die TeilnehmerInnen bereits erkannt haben, wie erfolgreich ein Premortem sein kann und sie sind dementsprechend sehr aufnahmefähig für die Theorie.

 

Kommentar

Ein oft genannter Nachteil der Methode ist, dass sie sich negativ auf die Stimmung auswirkt. Dies kann bewusst eingesetzt werden, wenn das Team oft mit zu viel Übermut an neue Projekte herangeht.

Im richtigen Setting und mit dem richtigen Team kann durch die Methode aber auch das Gegenteil eintreten, da unterbewusst schlummernde Ängste ausgesprochen werden dürfen und das Team als ganzes nun überzeugter denn je sein darf, dass das Projekt gelingen kann.

 

Es gibt, vor allem im technischen Bereich, viele Methoden die sich auch mit möglichen Schwachstellen eines Planes im Vorfeld befassen. Insofern kann je nach Zusammensetzung der TeilnehmerInnen der Einwand kommen, dass dies nichts Neues ist. Allerdings vereinen nur wenige andere Methoden die Vorteile des Premortems (Risiken werden tatsächlich gesucht und Kritik wird zugelassen)

 

Richtiger Zeitpunkt/Voraussetzungen

Es gibt keine besonderen Voraussetzungen.

 

Querverweise

 

Weiterführende Literatur

 

Zusammenfassung: http://wdtb.noaa.gov/courses/risk-comms/module_2/documents/pre-mortem.pdf

 

Gary Klein (2007): „Performing a Project Premortem“ Harvard Business Review. http://hbr.org/2007/09/performing-a-project-premortem

(Ganzer Artikel kann nach einer kostenlosen Registrierung angezeigt werden.)

 

Beispiel-Training (90 Minuten+)

Zeit Beschreibung Material
30’ Anleitung und Planungsphase eines Planspieles Material für das Planspiel
60’ Premortem des Planes (inkl. Erläuterung der Theorie) Flipchart
  Optional: Umsetzung des Planes  

 

Eine Antwort auf “Premortem”

  1. Annette Hexelschneider

    ad Kommentar zum Nachteil der Methode
    Eine weitere Spielart der Friedhofs-Metapher bringt der österreichische Chocolatier Josef Zotter in einem Interview mit mir hier http://www.knowvis.com/flipchart/die-friedhofs-metapher-vom-wagnis-zum-erfolg-und-josef-zotter-2/

    Antworten

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