Karl Bühler (1934)
Ziel
Die TeilnehmerInnen lernen einen Satz anhand des Organonmodells zu analysieren und verstehen so besser, wie das „Werkzeug Sprache“ funktioniert.
Kontext
- Kommunikation
- Gesprächsführung
Theorie
(basierend auf Karl Bühler (1965): Die Darstellungsfunktion der Sprache. S. 24 – 33)
Bühler beginnt seine Überlegungen mit einem Zitat aus Platons Kratylos in dem Sokrates sagte: „die Sprache sei ein organum, um einer dem anderen etwas mitzuteilen über die Dinge“. [Bühler 1965 S. 24] Organum ist griechisch für Werkzeug.
Abb. 1: Die Sprache als Organum
einer – dem anderen – über die Dinge
Aus diesem sehr einfach anmutenden Satz stellt Bühler das Organonmodell auf.
Abb. 2: Das Organonmodell
Das (komplexe) Sprachzeichen ist symbolisiert durch das Dreieck in der Mitte.
- „Das Dreieck umschließt […] weniger als der Kreis (Prinzip der abstraktiven Relevanz).“ [Bühler 1965] Mit dem Prinzip der abstraktiven Relevanz meint Bühler, dass nicht alle Informationen, die übertragen werden, von Relevanz für den Inhalt sind. (Beispiel: Werden Flaggen zur Kommunikation eingesetzt ist meist die Farbe der Flagge entscheidend, nicht aber die Art und Weise wie sie im Wind weht.)
- Das Dreieck geht aber auch über den Kreis hinaus um zu veranschaulichen, dass wir mehr hören als eigentlich gesagt wurde (apperzeptive Ergänzung).
„Die Linienschaaren symbolisieren die semantischen Funktionen des (komplexen) Sprachzeichens:“ [Bühler 1965]
Darstellung
Das Zeichen ist „Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten“ [Bühler 1965 S. 28]
Ausdruck
Das Zeichen ist „Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt“ [Bühler 1965 S. 28]
Appell
Das Zeichen ist „Signal kraft seines Appels an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalte es steuert“ [Bühler 1965 S. 28]
Praktische Einführung
Zunächst visualisiert man die Aussage Sokrates‘ in Platons Kratylos: „die Sprache sei ein Werkzeug, um einer dem anderen etwas mitzuteilen über die Dinge“
Abb. 3: Die Sprache als Organum/Werkzeug
Der Satz wird nun in die Form des Modells gebracht:
Abb. 4: Die Sprache als Organum in Form des Modells
Ausgehend von diesem Flipchart ergänzt man nun zum vollständigen Organonmodell, indem man jeweils einen Teil grafisch ergänzt und erläutert.
Abb. 5: Das (komplexe) Zeichen
„Das Dreieck symoblisiert das Zeichen, das Wort, den Satz, den wir analysieren wollen. Es umschließt weniger als der Kreis, da immer mehr Information übermittelt wird als nötig. Zum Beispiel zählt bei einer Kommunikation mit Flaggen nur die Farbe, nicht aber die Art und Weise wie sie im Wind weht.
Das Dreieck geht aber auch über den Kreis hinaus, um zu zeigen, dass wir durch Assoziation, mehr hören als eigentlich gesagt wurde.“
Abb. 6: Ergänzt um die Gegenstände und Sachverhalte
„Erst durch die Zuordnung zu einem Gegenstand oder einem Sachverhalt erlangt ein Zeichen, eine Nachricht, ein Wort seine volle Bedeutung.“
Abb. 7: Ergänzt um den Sender
„Jede Nachricht sagt auch etwas über den Sender aus und verliert dementsprechend viel Aussagekraft wenn sie losgelöst vom Sender betrachtet werden würde.“
Abb. 8: Ergänzt um den Empfänger
Schließlich ergänzt man noch die drei semantischen Funktionen Darstellung, Ausdruck und Appell.
Abb. 9: Das vollständige Organonmodell
„Gleichzeitig soll jede Nachricht, jedes Wort den Empfänger zu etwas bewegen.“
An dieser Stelle kann man auf die Namensherkunft des Modells verweisen. Organum ist griechisch für Werkzeug.
Weiterentwicklung zu den vier Seiten einer Nachricht
„Drei der vier Seiten einer Nachricht kann man bereits sehr leicht im Organonmodell erkennen.“
Abb. 10: Das Organonmodell ergänzt um drei der vier Seiten einer Nachricht
„Auch die vierte Seite kann man leicht im Organonmodell platzieren.“
Abb. 11: Das Organonmodell ergänzt um die vier Seiten einer Nachricht
Kommentar
Der Name Organonmodell leitet sich aus dem griechischen órganon = Werkzeug her. Bühler bezieht sich dabei auf Platon bei dem Sokrates in Kratylos sagte „die Sprache sei ein organum, um einer dem anderen etwas mitzuteilen über die Dinge.“ [Bühler 1965 S. 24]
Karl Bühler hat die zugrunde liegenden Thesen bereits in einem Aufsatz von ihm aus dem Jahr 1918 [Bühler 1918] dargelegt. Damals nannte er diese jedoch noch nicht Organonmodell und verwendete teilweise andere Bezeichnungen: Kundgabe anstelle von Ausdruck, Auslösung anstelle von Appell. In diesem Aufsatz legt er dar, weshalb Sprache nicht Einseitig auf Kundgabe/Ausdruck, Auslösung/Appell oder Darstellung reduziert werden kann.
Er verweist bei seinen Ausführungen auf die einseitigen Theorien zur Kundgabe/Ausdruck auf Wilhelm Wundt [Wundt 1905 S. 241 und 245], bei der Darstellung auf Hermann Paul [Paul 1886] und bei Auslösung/Appell auf Anton Marty [Marty 1905].
Richtiger Zeitpunkt/Voraussetzungen
Es macht wohl nur selten Sinn das Organonmodell für sich alleine in einem Seminar zu behandeln. Dazu ist es wohl schon zu sehr überholt. Es in petto zu haben, sollten gezielte Nachfragen zum Vier-Seiten-einer-Nachricht-Modell kommen oder aber Interesse der TeilnehmerInnen an früheren Kommunikationsmodellen bestehen, zahlt sich aus.
Querverweise
Weiterführende Literatur
Das Original von Bühler
Die Vier Seiten einer Nachricht – als Weiterentwicklung des Organonmodells
Das Werk von Bühler ist aktuell in der 3. Auflage erhältlich. Für die Zitate wurde die unveränderte 2. Auflage des Klassikers von 1934 verwendet:
- Karl Bühler (1965): „Sprachtheorie: Die Darstellungsfunktion der Sprache“ Gustav Fischer Verlag, Stuttgart. 2. unveränderte Auflage. – http://www.amazon.de/dp/B002WHQ0BW/ [Bühler 1965] [Bühler 1934]
Der Aufsatz von 1918 und Literatur auf die darin verwiesen wird:
- Karl Bühler (1918): „Kritische Musterung der neuern Theorien des Satzes.“ In Indogermanisches Jahrbuch VI 1918 S. 1 – 20 [Bühler 1918]
- Wilhelm Wundt (1905): „Völkerpsychologie Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache Mythus und Sitte“ 2. Band, Verlag Wilhelm Engelmann [Wundt 1905] http://archive.org/stream/t3vlkerpsychol02wund
- Hermann Paul (1886): „Principien der Sprachgeschichte“ 2. Auflage, Verlag Max Niemeyer [Paul 1886] http://archive.org/stream/prinzipiendersp01paulgoog
- Anton Marty (1905): „Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie.“ 1. Band, Verlag Max Niemeyer [Marty 1905] http://archive.org/stream/untersuchungenzu01martuoft
Beispiel-Training (15 – 35 Minuten)
Zeit | Beschreibung | Material |
15’ | Präsentation des Modells mit Verweis auf die vier Seiten einer Nachricht | Flipchart |
20’ | Eine nähere Auseinandersetzung erfolgt oft in Kombination mit den vier Seiten einer Nachricht. Alternativ können an dieser Stelle verschieden Sätze auf die Darstellung, den Ausdruck und den Appell analysiert werden. | Evtl. vorbereitete Sätze,
Stifte und Papier |