Roger Fisher / William L. Ury / Bruce Patton
Ziel
Die TeilnehmerInnen sollen verstehen, wie man über die Harvard-Methode friedliche Einigungen in Konfliktsituationen erzielt, die für beide Parteien passt (win-win).
Kontext
- Konfliktmanagement
- Mediation
- Verhandlung
Theorie
(basierend auf Fisher et al. (2009): Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik)
Eines der wichtigsten Kriterien des Verhandelns nach dem Harvard-Konzept ist es, dass man nicht feilscht – und damit einen Willenskampf austrägt, in dem man versucht die/den anderen dazu zu bringen, die eigene Position zu verlassen. Stattdessen sollte man versuchen, eine Übereinkunft zu erzielen, die folgenden drei Kriterien entspricht:
- die legitimen Interessen jeder Seite werden in höchstmöglichem Maße erfüllt
- es ist eine gerechte Lösung bei Interessenskonflikten
- die Lösung ist von Dauer und ist mit Interessen der Allgemeinheit vereinbar (Gesetze, ethische Normen, etc.)
Um das zu erreichen schlagen Roger Fisher, William L. Ury und Bruce Patton folgende Methode vor:
1) Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln: Man kann davon ausgehen, dass jedeR VerhandlungspartnerIn zwei Grundinteressen hat – den Verhandlungsgegenstand und die persönlichen Beziehungen. Um erfolgreich nach dem Harvard-Konzept zu verhandeln ist es wichtig, beides zu verstehen und getrennt zu behandeln.
2) Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen: Hinter jeder Position stehen Interessen – schafft man es, diese herauszufiltern, erweitert man damit die Lösungs-möglichkeiten. Zur Begriffsklärung: Mit Positionen sind die aktuellen Forderungen gemeint, mit denen man üblicherweise in eine Verhandlung geht (z.B. Ich will X Euro mehr Geld); Interessen dagegen sind die dahinterliegenden Bedürfnisse, die möglicherweise auch anders abgedeckt werden können, als durch die ursprüngliche Position (z.B. Ich möchte finanzielle Sicherheit)
3) Entwickeln von Entscheidungsmöglichkeiten (Optionen) zum beiderseitigen Vorteil: Die Optionen, die nun gemeinsam erarbeitet werden, sollten die Möglichkeit einer win-win-Entscheidung offen halten.
4) Bestehen auf der Anwendung neutraler Beurteilungskriterien: Man sollte sich überlegen, wie man beurteilt, dass die getroffene Übereinkunft die bestmögliche ist. Sie sollte dabei jedenfalls folgenden Anforderungen genügen: die gute Beziehung der beiden Parteien bleibt erhalten, beide Seiten nehmen mit, was sie brauchen (oder teilen fair) und es wird zeiteffizient verhandelt.
Praktische Einführung
Eine Verhandlung, bei der jedeR auf ihrer/seiner Position beharrt und die/den anderen dazu zwingen will, die eigenen Position zu verlassen, wird jedenfalls dazu führen, dass am Ende eineR mit dem Gefühl rausgeht, über den Tisch gezogen worden zu sein (man feilscht). Sollte man es dabei schaffen, inhaltlich eine Einigung zu erzielen, mit der auf den ersten Blick beide irgendwie leben können, wird möglicherweise die persönliche Beziehung der Verhandlungs-partnerInnen nachhaltig geschädigt sein. Genau das will das Harvard-Konzept verhindern – Indem man versucht eine faire Lösung zu erarbeiten, die beide Seiten zufriedenstellt und die die Beziehung der VerhandlungspartnerInnen zumindest nicht negativ beeinflusst. Dafür haben die Autoren dieses Konzepts (Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton) eine Methode entwickelt, die vier Kernpunkte beinhaltet, die man beachten sollte:
1) Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln
Die Person, mit der ich verhandle und der Inhalt des Gesprächs sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Man verhandelt naturgemäß über eine bestimmte Sache. Gleichzeitig hat man aber auch Interesse an der Beziehung zur Gegenseite (möglicherweise muss man auch in Zukunft zusammenarbeiten oder man möchte eine dauerhafte Geschäftsbeziehung aufbauen). Wenn man nun anfängt, um etwas zu feilschen, vermischt man ganz schnell Inhalt und Person (sowohl bei sich selbst als auch beim Gegenüber), weil es darum geht, wer den stärkeren Willen hat und es schafft, der/dem anderen die eigenen Werte aufzuzwingen. Egal, was inhaltlich dabei herauskommt: die Beziehung hat gelitten.
Damit man es schafft, das Gegenüber wertschätzend zu behandeln und gleichzeitig die Sache nicht aus den Augen zu verlieren, sollte man sich den nächsten Punkt genauer ansehen:
2) Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen
Hinter jeder Position stehen Interessen (meist tatsächlich in der Mehrzahl). Konzentriert man sich darauf, statt auf die vorgebrachten Positionen, erweitert das die Zahl der Lösungsmöglichkeiten. Am einfachsten lässt sich das wohl mit einem Beispiel verdeutlichen, das auch in der Originalliteratur vorkommt: Zwei Bibliotheksbesucher streiten darüber, ob das Fenster offen oder geschlossen sein soll. Sie diskutieren darüber, wie weit man das Fenster öffnen bzw. schließen könnte, damit noch jeder damit leben kann – sie kommen auf keinen grünen Zweig (sie sprechen über Positionen: Ich möchte, dass das Fenster geschlossen ist vs. Ich möchte, dass das Fenster offen ist). Da kommt eine Bibliotheksmitarbeiterin, die den Streit mit angehört hat und fragt nach, warum jeder will, was er will. Da stellt sich heraus, dass der eine gerne mehr Frischluft hätte und der andere keine Zugluft will. Daraufhin geht die Bibliotheks-Mitarbeiterin in den Nebenraum und öffnet dort das Fenster (bei offener Tür). So bekommen beide, was sie wollen und die ursprünglichen Positionen waren komplett unerheblich für die Lösungsfindung.
3) Entwickeln von Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil
Die Optionen, die man im Laufe der Verhandlung entwickelt, sollten so gestaltet sein, dass beide VerhandlungspartnerInnen etwas davon haben. Es ist sinnvoll, sehr offen an das Thema heranzugehen und verschiedenste Möglichkeiten zu finden, aus denen man anschließend gemeinsam auswählen oder die man kombinieren kann. So kommt man auf neue bzw. innovative Lösungen, die man zu Beginn nicht bedacht hätte – wichtig ist nur: beide müssen etwas davon haben!
4) Bestehen auf der Anwendung neutraler Beurteilungskriterien
Die Beziehung der beiden VerhandlungspartnerInnen sollte durch die gewählte Lösung nicht leiden. Daher ist es unter anderem wichtig, sich zu überlegen, wie man entscheiden kann, ob eine Lösung sinnvoll und machbar ist. Dafür kann man gesetzliche Regelungen oder Normen heranziehen, ExpertInnen befragen oder sich auf Traditionen und Erfahrungen stützen (Beispielsweise ist es sinnvoll, sich mit den gängigen Bauvorschriften bekannt zu machen, wenn es darum geht, mit dem Bauunternehmer über die Tiefe des Fundaments zu einigen – vgl. Fisher et al. 2009, S. 121).
Kommentar
Dieses Modell hat viele Parallelen zur Gewaltfreien Kommunikation, wobei die Gewaltfreie Kommunikation eher die Basis darstellt – sie hilft dabei, Interessen und Bedürfnisse zu erkennen. Somit ist es empfehlenswert vorab etwas darüber zu hören.
Es ist zu beachten, dass der Begriff ‚Harvard‘ von der gleichnamigen Universität rechtlich geschützt ist und man ihn nicht für kommerzielle Zwecke verwenden darf (z.B. als Seminartitel). Egger, Philips & Partner schreiben dazu:
„Im Laufe der Jahre haben sich weltweit viele Dozenten, Trainer, Berater und Weiterbildungsinstitute mit dem „Harvard-Konzept“ auseinandergesetzt und Ideen daraus in ihre eigene Arbeit einfliessen lassen. Diese Bestrebungen werden unterstützt, sofern nicht der „Harvard-Name“ als Begriff, Name oder Marke zu kommerziellen Zwecken verwendet wird. Egger, Philips & Partner ist der einzige Anbieter in Europa mit einer Lizenz der Harvard Universität.“
(Online zu finden unter: http://www.eggerphilips.ch/#!/de/das-harvard-konzept)
Richtiger Zeitpunkt/Voraussetzungen
Es gibt keine inhaltlichen Voraussetzungen. Allerdings empfiehlt sich ein Blick auf die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg (siehe Kommentar).
Arbeitsmaterial
Handout zum Harvard-Konzept als pdf
Querverweise
Weiterführende Literatur
Beispiel-Training (60 Minuten+)
Zeit | Beschreibung | Material |
15‘ | Die TN bekommen eine Verhandlungssituation, in der ihre jeweiligen Rollen und Positionen gut beschrieben sind und sollen jeweils zu zweit (oder zwei vor der ganzen Gruppe) bestmöglich verhandeln. | Ausgearbeitete Verhandlungssituationen (inkl. genauer Rollenbeschreibung) |
15‘ | Zusammenholen der TN und nach Verhandlungsverlauf fragen. Anschließend das Harvard-Konzept vorstellen. | Flipchart oder Beamer |
15‘ | Die TN sollen erneut verhandeln, sich dieses Mal aber an das Harvard-Konzept halten. | Ausgearbeitete Verhandlungssituationen (inkl. genauer Rollenbeschreibung) |
15‘+ | Zusammenholen der TN und gemeinsam besprechen, was in der zweiten Situation anders war. (Hier gegebenenfalls mehr Zeit für eine Diskussion einplanen, wenn man die Methode tiefergehend behandeln will) |
Eine Antwort auf “Harvard-Konzept”
Claudia Linker (Monnet)
Danke, Kollegen! 🙂