Marshall Rosenberg
Ziel
Die TeilnehmerInnen sollen das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation kennenlernen und verstehen.
Kontext
Theorie
(basierend auf Marshall B. Rosenberg (2001): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens)
In der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg geht es darum, Gespräche mit dem Ziel zu führen, dass die Bedürfnisse beider GesprächspartnerInnen erfüllt werden. Keinesfalls soll es dazu dienen, die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen – das wäre genau die Art von ‚Gewalt‘ auf die der Titel hinweist und die vermieden werden soll. Die Ausgangshypothese lautet, dass hinter jeder Handlung ein unerfülltes Bedürfnis steht. Wenn es zu einem Konflikt/Streit/Problem kommt, liegt das daran, dass sich entweder die Bedürfnisse der beiden Parteien (scheinbar) im Weg stehen oder, dass sie es nicht schaffen ihre Bedürfnisse auszudrücken und sie deshalb auch nicht erfüllt werden können.
Die Gewaltfreie Kommunikation setzt an diesem Punkt an und will dabei helfen, die eigenen Bedürfnisse zu formulieren bzw. die der anderen zu erkennen und so zu einem gegenseitigen Verständnis zu kommen.
Dazu bedarf es der Einhaltung von vier Schritten: Schildern der Wahrnehmung (Beobachtung), Ausdrücken der Gefühle, Ausdrücken der Bedürfnisse/Interessen, Formulieren einer Bitte.
Praktische Einführung
Wenn man davon ausgeht, dass hinter jedem Handeln ein unerfülltes Bedürfnis steht, ist es sinnvoll, wenn man es schafft, die eigenen Bedürfnisse auszudrücken und die Bedürfnisse der anderen zu verstehen. Dafür hat sich Marshall Rosenberg ein Modell ausgedacht, das es erleichtern soll die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu formulieren. Dieses Modell besteht aus folgenden vier Schritten:
- Wahrnehmung beschreiben (beobachten): Ich beschreibe genau, was zu der Situation geführt hat, in der ich mich jetzt befinde und die mich dazu gebracht hat, dieses Gespräch zu führen. Und zwar komplett ohne Bewertung (Beispiel: Wir haben in den letzten drei Wochen zweimal eine halbe Stunde telefoniert.). Am leichtesten ist es, wenn man sich vorstellt, man beobachtet etwas durch eine Videokamera: Man kann sehen, dass da ein Paar Socken auf dem Boden liegt und daneben eine halbleere Flasche Cola, die Videokamera kann das aber nicht als ‚Saustall‘ festhalten – das wäre meine Interpretation und die gilt es in diesem Moment zu vermeiden.
- Gefühle ausdrücken: Ich erkläre, was das mit mir macht (Beispiel: Das macht mich traurig.) Vorsicht: Nicht alles, was wir ein Gefühl nennen, ist auch tatsächlich eines. Wenn wir beispielsweise sagen ‚ich fühle mich erniedrigt‘ suggerieren wir dabei zwar, dass es sich um ein Gefühl handelt, tatsächlich ist es aber ein Vorwurf, weil es die Beteiligung einer anderen Person voraussetzt. Tipp: Wenn man sagen kann ‚Ich bin…‘ ist die Chance groß, dass es sich dabei um ein Gefühl handelt (traurig, wütend, glücklich, erfreut, irritiert, ängstlich, etc.).
- Ausdrücken der unerfüllten Bedürfnisse, die dazu führen, dass man sich in dem Moment so fühlt. Die Bedürfnisse sollen dabei nicht auf die andere Person bezogen sein, da das sehr schnell wie eine Schuldzuweisung wirkt. Außerdem ist ein Bedürfnis immer positiv zu formulieren und lässt Spielraum für verschiedene Auslegungen. Denn möglicherweise ist es nicht nur diese bestimmte andere Person, die mir dabei helfen kann, meine Bedürfnisse zu befriedigen und möglicherweise gibt es eine Lösung, an die ich im Moment noch gar nicht denke (Beispiel: Mir ist wichtig, dass ich mich mit jemandem austauschen kann.)
- Eine möglichst konkrete Bitte formulieren (Beispiel: Wäre es für dich möglich, dass wir uns ab jetzt wöchentlich eine Stunde Zeit nehmen um miteinander zu telefonieren?) Hier ist es sehr wichtig, dass die Bitte eine Wahlmöglichkeit lässt – sonst gerät man in Gefahr, die/den anderen zu übervorteilen. Vielleicht hat sie/er ja einen Vorschlag, der noch viel besser passt und an den ich bis dahin gar nicht gedacht habe.
Komplettes Beispiel einer gewaltfreien Aussage:
nicht gewaltfrei: Wie oft muss ich dir das noch erklären!?
gewaltfrei: Ich habe dir die Verwendung dieses Programms in den letzten zwei Wochen dreimal erklärt. Ich bin verwirrt und etwas wütend, weil mit effizientes Arbeiten sehr wichtig ist und mir dieses Projekt sehr am Herzen liegt. Wäre es für dich in Ordnung, wenn du alles, was du nicht verstehst, bis kommenden Mittwoch detailliert aufschreibst und wir gehen das anschließend ein letztes Mal gemeinsam durch?
Kommentar
Achtung: „Gewaltfreie Kommunikation“ ist ein geschützter Begriff, wer ihn verwendet, sollte also unbedingt darauf achten, dass auf den Ursprung hingewiesen wird. Außerdem sollte man kein Seminar zu Gewaltfreier Kommunikation anbieten, wenn man dazu nicht autorisiert ist.
Beobachten ohne zu bewerten ist etwas, das wir in unserer Kultur nicht gewohnt sind. Deshalb fällt es den meisten Menschen am Anfang sehr schwer. Hier ist hartnäckiges Üben notwendig. Ebenso sind wir es nicht gewohnt unverblümt auszudrücken, was wir fühlen und was für Bedürfnisse wir gerne erfüllt hätten. Es ist sinnvoll den TeilnehmerInnen viel Zeit zu geben um zu verstehen und zu üben.
Richtiger Zeitpunkt/Voraussetzungen
Es gibt keine inhaltlichen Voraussetzungen. Allerdings wird eine gewisse Offenheit und Vertrautheit in der Gruppe nötig sein, um das Modell richtig üben zu können.
Querverweise
Weiterführende Literatur
Beispiel-Training (90 Minuten)
Zeit | Beschreibung | Material |
30‘ | Erklärung Gewaltfreie Kommunikation und vier Schritte (inkl. Beispiele zum Verständnis) | Flipchart oder Beamer |
40‘ | Kleingruppen/Zweiergruppen: Sätze austeilen, die nicht gewaltfrei formuliert sind. Die TeilnehmerInnen sollen sich einen Kontext zu den Sätzen überlegen und sie dann in gewaltfreie Kommunikation übersetzen. | Liste mit Sätzen, die nicht gewaltfrei formuliert sind |
20‘ | Gemeinsames Nachbesprechen, ob und wo es noch Schwierigkeiten gab – möglicherweise Tipps und Beispiele besprechen |