Steven Reiss
Ziel
Die TeilnehmerInnen erhalten eine Theorie, mit welcher sie das eigene Verhalten sowie das Verhalten von Personen in ihrer Umgebung reflektieren und/oder voraussagen können.
Kontext
- Motivation
- Führung
- Selbstmanagement
- Teambuilding
- Personalentwicklung
Theorie
(basierend auf Steven Reiss, (2009): Wer bin ich und was will ich wirklich?: Mit dem Reiss-Profile die 16 Lebensmotive erkennen und nutzen)
Im Jahr 2000 fand Steven Reiss, amerikanischer Psychologe, nach umfassenden Studien 16 Lebensmotive. Sie eignen sich hervorragend, um das eigene Verhalten und vor allem das, der Menschen in der eigenen Umgebung, zu analysieren.
Die Reihenfolge der im Folgenden zitierten 16 Lebensmotive spielt keine Rolle.
- Macht – das Bedürfnis, andere zu beeinflussen.
- Unabhängigkeit – das Bedürfnis nach Eigenverantwortlichkeit.
- Neugier – das Bedürfnis nach Wissen.
- Anerkennung – das Bedürfnis nach Einbeziehung.
- Ordnung – das Bedürfnis nach Organisation.
- Sparen – das Bedürfnis, Dinge zu sammeln.
- Ehre – das Bedürfnis, den eigenen Eltern und dem eigenen Erbe gegenüber loyal zu sein.
- Idealismus – das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit.
- Beziehung – das Bedürfnis nach Gesellschaft.
- Familie – das Bedürfnis, seine Kinder großzuziehen.
- Status – das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung.
- Rache / Wettbewerb – das Bedürfnis, mit jemandem abzurechnen oder sich mit jemandem zu vergleichen.
- Sinnlichkeit – das Bedürfnis nach Sex und Schönheit.
- Essen – das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme.
- Körperliche Aktivität – das Bedürfnis nach Muskelbetätigung.
- Innere Ruhe – das Bedürfnis nach emotionaler Gelassenheit.
[Steven Reiss (2009): Wer bin ich und was will ich wirklich? Mit dem ‚Reiss-Profile‘ die 16 Lebensmotive erkennen und nutzen, S. 33 – 34]
Um ein vergangenes oder zukünftiges Verhalten von Menschen zu analysieren, versucht man, basierend auf den genannten Motiven, herauszufinden was für Interessen, Wünsche und Bedürfnisse sie antreiben. Wenn man nun davon ausgeht, dass sie versuchen werden diese zu erfüllen, kann man ihr Verhalten bis zu einem gewissen Grad sehr gut voraussagen.
Praktische Einführung
Zu Beginn ist es sinnvoll, den TeilnehmerInnen näher zu bringen, in welchen Lebensbereichen Motive eine Rolle spielen (alle!) und warum es sie direkt und in jeder Situation betrifft. Da die Motive von Reiss auf den ersten Blick sehr abstrakt und teilweise befremdlich wirken, ist es hilfreich, die Erklärung mit möglichst vielen Beispielen zu untermalen (hier kann man die TeilnehmerInnen mit einbeziehen).
Den größten Effekt erzielt man, wenn man die Motive der Reihe nach erklärt/bespricht und jeweils versucht einen direkten Bezug zum Umfeld der TeilnehmerInnen herzustellen.
Beispiele:
Unabhängigkeit: Jede und jeder von uns kennt das Gefühlt, nicht über das eigene Leben bestimmen zu können (zumindest aus der Kindheit aber auch aus der Schule, dem Berufsleben, etc.). Gleichzeitig kennt man das befreiende Gefühl, wenn man unabhängig eine Entscheidung treffen und sich verhalten kann, wie man es im Augenblick für angemessen hält. Man fühlt sich in so einem Augenblick auch gleich viel verantwortlicher für die jeweilige Sache.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf kann man sich gut vorstellen, dass eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter deutlich verantwortungsvoller und auch motivierter an eine Aufgabe herangeht, wenn man sie/ihn eigenverantwortlich arbeiten lässt und ihr/ihm damit zeigt, dass man Vertrauen in ihre/seine Arbeit hat.
Innere Ruhe: Wer ständig mit Stress zu kämpfen hat, kann irgendwann nicht mehr – der Begriff ‚Burn-Out‘ mag in der heutigen Zeit inflationär gebraucht werden, aber er zeigt allemal auf, dass ein dauernder Leistungsanspruch (von sich selbst, von KollegInnen, von Vorgesetzten) kein gutes Ende nimmt. Wer zwischendurch zur Ruhe kommen und Phasen der emotionalen Gelassenheit in den Arbeitsalltag einbauen kann, ist in der Lage die eigenen Kräfte wieder zu mobilisieren und zu bündeln und damit motiviert an ihre/seine Aufgaben heranzugehen.
Kommentar
Kombiniert mit einer passenden Übung (siehe Beispieltraining) ergeben sich aus dieser Theorie sehr viele Anregungen zu konkreten Bedürfnissen die man vernachlässigt / übersehen hat und zu konkreten Handlungen wie man die entdeckten Bedürfnisse in Zukunft besser abdecken kann. Der darauf aufbauende Transfer in den Alltag darf aber keinesfalls ausgelassen werden.
Da das Original von Reiss neun Jahre lang nicht in einer autorisierten Übersetzung verfügbar war, finden sich für einzelne Motive unterschiedliche Übersetzungen in der Trainingsliteratur. Sinnlichkeit findet sich beispielsweise auch als Eros oder Romantik wieder.
Das Motiv Rache / Wettbewerb findet sich sonst nur als Rache was ebenfalls auf das englische Original zurückgeht (“Vengeance is the desire to get even.”). Die Änderung in der deutschen Übersetzung gegenüber dem Original schließt unserer Erfahrung nach eine wichtige Lücke, da das Motiv Rache alleine in manchen Kontexten den TeilnehmerInnen schwer vermittelbar war.
Empfehlenswert ist es auch, sich die original „16 basic desires“ in Englisch anzusehen.
Richtiger Zeitpunkt / Voraussetzungen
Diese Theorie eignet sich besonders gut, wenn die TeilnehmerInnen ein konkretes Verhalten einer Gruppe reflektieren oder voraussagen wollen und basierend auf diesen Erkenntnissen die eigenen Handlungen verbessern wollen.
Auch wenn sich die Frage danach stellt, wie man die Arbeitsumgebung so verändern kann, dass sich alle darin wohl fühlen, ist es sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, wie man möglichst viele der 16 Bedürfnisse erfüllen kann.
Besondere Voraussetzungen sind nicht notwendig. Es macht aber natürlich Sinn, dass die TeilnehmerInnen bereits offen dafür sind Beispiele aus ihrem Leben zu bringen.
Querverweise
- Zwei-Faktoren-Theorie
- Bedürfnispyramide
- Eisbergmodell
- Themenzentrierte Interaktion
- Führungsstile
- Selbstmanagement
Weiterführende Literatur
Beispiel-Training (75 Minuten)
Zeit | Beschreibung | Material |
15’ | Vorstellung der Theorie, wenn möglich, mit direktem Bezug zur Arbeit der TeilnehmerInnen | Flipchart oder Beamer |
35’ | Erarbeitung konkreter Bedürfnisse und konkreter Handlungen um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Es werden 9 Flipcharts in einem 3×3 Raster zusammengefügt und, wie in der beiligenden Skizze dargestellt, beschriftet.Die TeilnehmerInnen stellen sich um das große Flipchart auf und wählen jeweils eine „Spalte“/Motiv aus. In zwei Runden wird nun das Flipchart mit Inhalt befüllt.In Runde eins werden in die innere Hälfte je Motiv möglichst konkrete Bedürfnisse, basierend auf diesem Motiv, geschrieben. Die TeilnehmerInnen beginnen bei ihrem ausgewählten Motiv und wechseln nach einer Minute zum nächsten im Uhrzeigersinn. Dies geschieht so lange bis alle TeilnehmerInnen alle 16 Motive bearbeitet haben.In Runde zwei wird die äußere Hälfte mit konkreten Handlungen / Verbesserungen befüllt, welche die TeilnehmerInnen / die Organisation(en) ausführen können um die konkreten Bedürfnisse abzudecken. Je nach Gruppe kann hier eine oder zwei Minuten pro Motiv Zeit gegeben werden.Hinweis: Bei mehr als 16 TeilnehmerInnen arbeiten jeweils 16 und der Rest setzt aus. Es ist darauf zu achten, dass sie so aufgestellt sind, dass sie nie länger als eine Runde aussetzen müssen. |
9 Flipcharst, Stifte, evtl. Wachsmalblöcke zum Ausmalen der „Spalten“/Motive (siehe unten)
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10’ | PauseDie TeilnehmerInnen brauchen etwas Zeit um zu realisieren wieviel Output sie in sehr kurzer Zeit – die für sie noch kürzer wirkte – erzielt haben. | |
15’ | Die TeilnehmerInnen bekommen nun Zeit, das Erarbeitete genau zu studieren. Als ersten Schritt zur Ergebnissicherung könnten sie gebeten werden sich mindestens fünf konkrete Handlungen / Veränderungen zu notieren, die sie selbst umsetzen möchten.Dies sollte aber nur der erste Schritt sein, ein weiteres Arbeiten mit dem Ergebnis dieser Übung bietet sich für den weiteren Seminarverlauf an. |